Christoph Bernh.                     Welt und Glauben

Schlüter                                        Zweiter Theil

1801 – 1884                                                  

Offenbarung und Kirche

                                                         (Fortsetzung)

 

 

 

207

 

Stumm ist an Babels Strom das Saitenspiel,

Wo spottend Fremde unsre Herzen kränken.

Laßt gen Jerusalem den Blick uns lenken

Und weinen, daß des Herren Veste fiel!

 

O nicht in Babels wirrendes Gewühl

Und Sündenwust laßt uns die Seele senken,

Laßt Tag und Nacht nur Sions uns gedenken,

So stehn wir fest und kommen noch zum Ziel!

 

Laßt rinnen nur die Fluth von Babels Strömen!

Zur Quelle Siloah, die ewig fleußt,

Sei unser Blick, wo Gottes Thron geragt!

 

Es kommt der Rache Tag und wir vernehmen:

Dein Retter naht, der schnell dein Joch zerreißt;

Von Sion strahlt dein Sieg in deine Nacht.

 

 

208

 

Was ringst du ewig bang’? es ist vergebens,

Dich aus Aegyptens Frohn zum Land der Jugend

Zu sehnen, Freiheit und Erlösung suchend

Aus diesem wilden Babylon des Lebens.

 

Trotz deines Schreiens, Flehens und Erbebens,

Nicht ahtend des Gefühls und frommer Tugend,

Schwingt mördrisch der Tyrann die Geißel fluchend

Ob deinem Nacken, blutbegier’gen Strebens.

 

Und unter fremdem Volke, das du hassest,

Verschwunden ist des Glückes letzte Spur,

Das hoffend einst dein Jugendwunsch gefodert.

 

In dunkler Nacht, wo gramvoll du erblassest,

Einsam die Flamm’ im Herzensschreine nur

Dem Gott der Väter still entgegen lodert.

 

 

209

 

Den Trost verschmäh’ ich stolz in meinen Leiden

Von diesem Volk, das nicht Jehovah kennt,

Das nur mit Lästern seinen Namen nennt,

Entschlossen, ewig mich von ihm zu scheiden.

 

Doch wenn zur Mitternacht die Sehnsucht brennt

Nach meinem Gott und Salems sel’gen Freuden,

Dann steig’, o Harf’, herab von Thränenweiden,

Du, Freundin, die von mir der Tod nur trennt.

 

Wie weinend, klagend unter jenen Zweigen

Der Bach der Heide durch die Felsen rinnt

Und trauernd sich in dunkle Tiefen stürzt,

 

Wo nur noch fern sich ew’ge Stern’ ihm zeigen:

So still mein Geist ob seinem Schicksal sinnt,

Flehend zu ihm, der solches Loos verkürzt.

 

 

210

 

Aron hatt’ nur Melchisedech zum Zwecke

Und Sinn, wie den Gedanken die Geberden.

Wozu der Brandaltar, die Opferheerden,

Fiel nie vor Moses’ Antlitz jene Decke?

 

„Nicht letzt mich Blut der Farren und der Böcke:

Vom Aufgang bis zum Niedergang der erden

Soll rein und angenehm bereitet werden

Ein Opfer mir, das schnell ich mir erwecke.“

 

Wißt ihr, wen ihr anbetet? opfert wem?

Bald zeigt sich euch in Herrlichkeit und Klarheit

Auf Garizim, wie zu Jerusalem,

 

Der Herr, verehrt im Geist und in der Wahrheit.

Ein Opfer bringt zum Heil und ew’gen Ruhm

Der, eins für immer, drang in’s Heiligthum.

 

 

211

 

Lies ohne Christ das alte Testament;

Wie dunkel rings, wie thöricht, öd’ und schaal

Scheint Alles dir, wie trüb’ der Worte Schwall,

Wo keines dir den Herd der Strahlen nennt!

 

Lies es als Einer, welcher Christus kennt,

Ihn schaut, ihn hört, empfindet überall:

Und trunkner Aufgang strahlt in’s düstre Thal,

Das hell in tausendfachem Feuer brennt.

 

Und der der Zeiten Fülle, der sich weit

Als Licht und Leben spendend, allzugegen

Ausbreitet durch die Unermeßlichkeit,

 

Ist auch des Wortes Inhalt aller Wegen,

Ist morgen, gestern, aller Wesen Segen

Und Seligkeit im Heut der Ewigkeit.

 

 

212

 

Wie durch die Cedern Libanons im düstern

Gezelt der Wolken, in den schwarzen Wettern,

Jehovah fährt, laut drohend zu zerschmettern

Des Urwalds Wipfel; gleich dem Sturm der Nüstern

 

Der Rosse sein, ein Schrecken den Philistern:

So ras’t sein Geist in dieses Buches Blättern. –

Zum Cedernwald dann werden seine Lettern,

Durchsäuselt oft vom sanften Liebesflüstern.

 

Er kommt heran mit Donnerungestüm;

Die Erde bebt vor ihm, und Berg’ und Meere

Zerschmelzen, zittern bang’ vor seinem Grimme.

 

Ein Feuer flammt, doch ist er nicht in ihm,

Nicht im Erdbeben, noch im Sturm, der Hehre;

Im Abendlüftchen lausche seiner Stimme.

 

 

213

 

Die Welt in allen Tiefen bebt und schwankt,

Die Menschen suchen seltsam neue Bahnen,

Durch den Tumult rings raunt ein leises Mahnen,

Schwer ist die Zeit im Innersten erkrankt.

 

Ihr, die es bangt und heimlich weg verlangt

Noch vor dem Einsturz, folgt dem leisen Ahnen!

Noch einmal schwingt die Liebe ihre Fahnen,

Wo jede Tugend wohlgerüstet prangt.

 

Ihr folgt; schon zeigen flammende Kometen

Am Himmel sich, doch schlimmre auf der erde,

entfernt von ihres Urquells Huld und Pracht.

 

Hinaus, eh’ weit die Himmel rings sich röthen

Vom Tag des weltgerichts, dem letzten „Werde!“

Hinaus! „O schöne Welt, nimm dich in Acht!

 

 

214

 

Wer krank, will doch als Arzt die Kranken heilen,

Wer ohne Haus, weis’t Wanderern ein Schloß;

Im Vorderzug zu gehn, lehrt, der im Troß

Der Letzte zögert und zurück auf Meilen.

 

Der ganze Thor will halben Rath ertheilen,

Der Lahme zäumt dem Freund ein Flügelroß;

Der selbst dem Hunger und der Kälte bloß,

Lehrt zu dem Ort, wo Brot und Kleidung, eilen;

 

Wer selbst einäugig, spricht: Einäugiger,

Wie dau’rst du mich, wie muß ich dich beklagen!

Der Splitterrichter sieht den Balken nicht

 

Im eignen Aug’; o Wegabbeugiger,

Ruft, wer verirrt! O Thorheit, sonder Zagen

Rathgeber sein, dem selbst der Rath gebricht!

 

 

215

 

Das Wort des Herrn, krächzt man, spricht Solöcismen,

Dort, unterdeß die eine Rotte zaudert,

Tritt jene vor und philologisch plaudert;

Dann schreit sie auf: es strotzt von Barbarismen!

 

O wären nur, schallt’s dort, Paralogismen

So reichlich nicht, daß, wer da denket, schaudert!

Umsonst nicht haben logisch wir gehaudert

Uns einzufahren in den Mechanismen.

 

Der ruft: o Fabel, Jonas in dem Seefisch?

Der findet: Alles sei allein figürlich;

Der spricht: „es ist der Menschheit Wieg’ und Windel!“

 

Der schreit: „Moral!“ der höhnt: „wie unästhetisch!“

Der sprichht: „nicht ideal, noch auch natürlich!“ –

Hinweg Geschmeiß, weg Pöbel und Gesindel!!!

 

 

216

 

Blatt, Blüth’ und Zweige von dem Baum des Lebens

Steckt ihr vertrocknet, todt, sie zu vergöttern,

In Bücher: zwischen des Papyrus Blättern

Sucht ihr in ihnen Farb’ und Duft vergebens.

 

Flach, welk und leblos steht trotz eures Strebens

Des ew’gen Lebens Wort in schwarzen Lettern;

Weh euch, umdroht von der Versuchung Wettern:

Hier zu bestehn, nicht todte Formeln geben’s.

 

Am Strom nur, der den Baum der Menschheit tränkt

Aus Edensquell, der durch die Weltgeschichte

Hellsilbern rinnt, bald steiget, bald sich senkt,

 

Wird ew’ge Wahrheit nimmer zum Gedichte.

Nicht anderswo noch Heil zu finden denkt:

Wohl weht der Wind, doch setzt es keine Früchte.

 

 

217

 

Weh ihm, der Wahres falsch nennt, Falsches wahr;

Das Güte bös’, und was da bös’ ist gut;

Für Seligkeit anpreist unreine Gluth,

Für schön verkauft, was heil’ger Schönheit bar!

 

Wer Sein nennt, was nicht sein wird, ist, noch war;

Wahr, was nicht gut, noch schön, mit keckem Muth,

Gut, was nicht schön und wahr, mit kaltem Blut,

Und schön, was wahr und gut nicht immerdar!

 

Denn ew’ge Schönheit ist die Harmonie

Der ew’gen Wahrheit, Güt’ und Heiligkeit;

Im sel’gen Bund magst du sie Schönheit nennen.

 

In Gott entzückt, vereint erblickst du sie,

Entrückt der Zeit im Glanz der Ewigkeit,

Und was Gott einigt, soll der Mensch nicht trennen.

 

 

218

 

„Sinn wird zum Unsinn, der Verstand zum Thoren,

Fehlt es im Herzen;“ richtige Empfindung

Beschützt allein das Leben vor Erblindung,

Wo sie nicht Führer, sind wir schnell verloren.

 

Ihr Werk ist’s, wenn das Rechte wir erkoren;

Des lichten Denkens, so wie Wollens Gründung

Liegt nur bei ihr; sie knüpfet die Verbindung

Des Vielgetheilten in dem Tanz der Horen.

 

Von ihr getrennt, irrt Witz und Wille stündlich

In tausendfältig wirre Labyrinthe,

Wo uns zu schaden jeder Dämon lauert.

 

In ihr stets neu ist unser Aufgang findlich;

Still kehrt zu ihr, wo falsches Gut es minnte,

Das Herz von heil’ger Wahrheit Strahl durchschauert.

 

 

219

 

Es seufzt ein Kind an dunkler Tempelschwelle

Und lauscht und bangt, ein einsames Atom

In weiter Nacht; zur Seit’ ihm rauscht der Strom

Und klagt am Strand, hinfluthend Well’ auf Welle.

 

Ein Paradies ist drinnen jede Zelle,

Spricht es, ich weiß, der Glaub’ ist kein Phantom,

Drin weilt die Lieb’, ja drinnen ist der Dom

Von Millionen Lichtern spiegelhelle.

 

Doch Nacht ist rings und schaurig in den Zweigen,

Unwirthlich saust der Sturm und bietet Hohn

Den Thränen mein, die in dem Frost erstarrten.

 

Sie täuschen nicht, die solchen Weg mir zeigen,

Bald zuckt ein Glanz, bald bebt ein leiser Ton,

Rasch fahr’ ich auf. O laß mich ruhig warten!

 

 

220

 

Frohlockt, ein süßer Nam’ ist uns gegeben,

In dessen Hut wir ruhig schlafen können,

In dessen Kraft wir rasch zum Ziele rennen,

Schon unterwegs in Siegesfreud’ erbeben!

 

Möcht’ er uns stets im reinen Herzen schweben,

Der heil’ge Nam’, und nie von uns sich trennen;

Vergebens wir auf Trost und Hülfe sännen,

Würd’ er nicht tröstend schützend uns umgeben.

 

O dieser Name scheucht die Finsterniß,

Ist Kraft, Licht, Wonne, sel’ge Ruh’ und Frieden,

Schon Lebenselement der Seel’ hienieden!

 

Hoffend auf ihn sind wir des Siegs gewiß,

Wo nur der Welt Befleckung wir gemieden,

Geschlossen ward durch ihn des Abgrunds Riß.

 

 

221

 

In einem Namen ward die Welt besiegt,

In ihm allein wird jeder Sieg gewonnen

Und seine Lettern glänzen gleich, wie Sonnen,

Und Gut und Bös sich seiner Allmacht fügt.

 

Was gut, folgt liebend seinem Tageslicht,

Gespeist, getränkt aus seinem sel’gen Bronnen.

In seinem Arm; in Ohnmacht schnell zerronnen

Die böse Kraft vor ihm sich zitternd schmiegt.

 

Bleibst du in ihm und er in dir, ist dein

Das weite All, sein Reich; in allen Kriegen

Wirst du in dieses Namens Allmacht siegen;

 

In ihm des schlimmsten Feind’s Besieger sein,

Wird selbst die Ichheit seinem Wort sich fügen,

Die Selbstsucht sich der Lieb’ zu Füßen schmiegen.

 

 

222

 

Sprich: welchem Namen sei der höchste Preis,

In welchem Namen willst du selig werden,

Im Himmel einst und hier schon auf der Erden?

Ist’s Mammon, Cypris, Phöbus oder Zeus?

 

Ist’s ird’schen Lehrers Vorschrift und Geheiß,

Im eignen Namen lehrend mit Geberden

Des Stolzes? Hilft ein solcher in Beschwerden

Des Pilgerlaufs, sanft trocknend dir den Schweiß?

 

Ist’s Freund, Geliebter, König, Vaterland,

Ist’s Freiheit, die des wilden Aufruhrs Saamen

Und nicht des Friedens?  Ist’s im eig’nen Namen?

 

Ist’s ird’sche Macht, Kunst, Weisheit und Verstand

Und Alles, was im Tode schnell verschwand?

Der Nam’ ist Jesus; der ist Ja und Amen.

 

 

223

 

Nur Lieb’ und Leiden ist der Menschheit Theil.

Seit aus dem Paradiese wir geschieden,

Hat Lieb’ in Freude unsern Pfad gemieden;

Zu ihr führt nur der Bergweg schmal und steil.

 

Sieh hin, von Golgatha naht unser Heil,

Sieh Lieb’ im Leid, Erlösung, Himmelsfrieden

Und ew’ge Hoffnung; willst du Größres bieten,

Bist du ein Lügner, trotzig, feig und feil.

 

Noch steht der Cherub mit dem Flammenschwerte,

Nach des Allmächtigen entschiednem Worte

Die Rückkehr hemmend zu der heil’gen Pforte.

 

Von der verbotnen Frucht ißt der Bethörte

Auf’s Neue, der den Lebensbaum nicht ehrte;

Frag’ noch, warum ihm jedes Glück verdorrte.

 

 

224

 

So ließ er denn als Waisen uns zurücke

In dieser Welt, hinscheidend ungerührt

Von seiner Treuen Loos im Mißgeschicke,

Indeß sein Strom im Sande sich verliert?

 

Nicht kam der Geist eröffnend ihre Blicke,

Der siebenfach die Seele schmückt und ziert?

Warum und wo entstand die grause Lücke,

Der Riß, so bis zum Ende dauern wird?

 

Und stiftet er, den Erd’ und Himmel loben,

Der nur herab ein Buch zu bringen kam,

So schlecht ein Bild der Gottesstadt dort droben,

 

Daß er gen Himmel fahrend mit sich nahm

Das heil’ge Feuer, welches anzuzünden

Er niederstieg, daß keiner es mag finden?

 

 

225

 

Von oben strebt aus ew’ger Weisheit Schooße

Der heil’ge Weinstock, rankend in der welt

Sucht er zu wurzeln; seine Reb’ erhält

Voll edlen Saft’s sein Stamm, der heil’ge, große.

 

Theil nimmt an ihm die lichte Blüthenrose

Der heil’gen Menschheit, deren Pilgerzelt

Tief unten steht; die Erde unterhält,

Was irdisch ist an ihr, mit kurzem Loose.

 

Doch was aus jenes Stammes Kraft entsprossen,

wandelt in ew’ges, was vergänglich schien,

Macht Ird’sches zu der Ewigkeit Genossen.

 

Wohl möcht’ der Menschheit Pflanze an sich ziehn

Und wandeln ganz zu heil’gen Stammes Schossen,

Der für die Menschen all’ sein Blut vergossen.

 

 

226

 

Orpheus allein konnt’ Orpheus Leier rühren,

Die Bergeseichen ihm zu folgen zwang,

Die zaubermächtig durch den Orkus drang,

Die Felsen zähmt’ und Menschen gleich den Thieren.

 

Doch schnell mußt’ allen Zauber sie verlieren,

Ohnmächtig ward sie, war mit ihrem Klang

Vermählet nicht sein himmlischer Gesang,

Und keine That mehr konnte sie vollführen.

 

O jene Leier ist des Herren Wort,

Ihr Meister nur die Kirche, gottgestiftet,

Und sein Gesang die heil’ge Überlieferung.

 

Wohl heimlich wächst die Frucht des Lebens dort,

Wenn spendend sie den heil’gen Vorhang lüftet,

Und ihr Gesang hinzubringt die Entziffrung.

 

 

227

 

Das Buch der Bücher ist, wir sagen’s alle,

Das Wort des Lebens, welches nimmer wankt,

Ein Heilungsbalsam Allem, was erkrankt

In Sünd’ und Irrthum seit dem ersten Falle.

 

So preist nächst Gott denn auch in heil’ger Halle

Die edlen Schaffner, denen ihr’s verdankt,

Daß ihr es habt noch rein und ächt: o schwankt

Zu preisen nicht die Kirch’ im Jubelschalle!

 

In ihrer heil’gen Halle springt der Quell,

Worin heilbringend ew’gen Worts Krystall

Zum Segenstrank bereitet wird den Armen.

 

Dort schöpft das Wort des Lebens klar und hell,

Wo es lebendig; tragt es überall,

Daß Aller Herz und Glieder neu erwarmen.

 

 

228

 

Stolz schwatzen sie aus ihren Vogelbauern,

Die statt der Kirch’ jetzt Jeder um sich baut,

In buntgeschnitzter Rede viel und laut,

Verhöhnend Sion’s Thurm und heil’ge Mauern.

 

Elend Gevögel, seht den Feind doch lauern!

Des Vogelstellers Pfeife nimmer traut!

O nicht auf jene leeren Schwätzer schaut

Vom steten Fortschritt, die selbst träge kauern!

 

Von Menschenwürd’, aufrechtem Gang und Schritt,

Der weiter vorwärts dringt, hallt ihre Predigt,

Begeistert sind sie für den Organismus.

 

Dem Atomisten spielt man übel mit,

Und überall wird die Idee erledigt

In Kirch und Staat; nur bleibt’s beim Egoismus.

 

 

229

 

Aus Blindheit, Tod und Sünd’ uns zu erretten

Durch seinen Tod, stieg er voll Lieb’ herab:

Nicht drum besiegt’ er Sünde, Welt und Grab,

Daß wir zu lesen und zu reden hätten.

 

Nur darum sprengte er des Abgrunds Ketten,

Auf daß sein Volk ihm treu am Pilgerstab

Nachfolgte; daß der Nahrung Füll’ es hab’,

Und Ueberfluß, wollt’ er so hart sich betten.

 

Wie siebenfach der weiße Strahl sich spaltet,

So heil’ger Strom, der seiner Seit’ entschoß,

Zertjeilend sich in sieben Sacramente,

 

Mit deren Schatz die heil’ge Kirche schaltet,

Die treu sie wahret in dem heil’gen Schooß;

Drum hungert Jeden, der von ihr sich trennte.

 

 

230

 

Seit ihr gestrebt, euch selbst das Licht zu schaffen,

Und euch bedünkt, die Weisheit elbst zu sein,

Zerquält ihr euch in Hunger, Durst und Pein;

Krank ist das Herz, die Glieder all’ erschlafften.

 

Nicht gleich dem Raube läßt sich Wahrheit raffen,

Vertrauend eurer Blendlaterne Schein,

Was habt ihr nun? Sophisten schlichen ein,

Anstatt der Weisen, statt der Priester, Pfaffen.

 

Seit ihr nicht Kirch’, nicht Überliefrung hört,

Und über Heil’ges euch nicht schämt zu lachen,

Von unglücksel’gem, finsterm Wahn bethört;

 

Seitdem der Feind die gute Saat verheert,

Will Staat und Kirch’ und Kön’ge auch man machen

Auf eig’ne Hand, trotz eurem Arguswachen.

 

 

231

 

Was reißt ihr von dem Sternendiademe

Der ew’gen Weisheit Strahlen, sie zu hangen

Um eure Götzen, frech von Blick und Wangen,

Daß Lügenschein den Schritt zum Himmel lähme?

 

O daß eu’r Thun der Engel Blick beschäme,

Wenn ihr der Braut, vom ein’gen Gott umfangen,

Raubt ihre Zierde, Krone, Ring’ und Spangen,

Im Wahn, daß willig sie sich euch bequeme.

 

Sei’s Thiergebild, sei’s Hain, Gestirn, sei’s Gold,

Sei’s Menschenehr’ und Ruhm, sei’s niedre Lust,

Sei’s Wissen, Kunst, die ihr umtanzt als Götzen,

 

Die mit dem Kirchenraub ihr schmücken wollt:

Habt Acht, Gott wid zu ewigem Verlust

Euch in Aegyptens Mitternacht versetzen.

 

 

232

 

Des höchsten Gottes reine, auserwählte,

Des größten Fürsten unbefleckte Braut,

Die stets nur des Verlobten Arm vertraut,

Die treu der Vorzeit Kunde euch erzählte,

 

Die Gottes ew’gem, heil’gem Geist Vermählte,

Die folgend ihm nie rechts, noch links geschaut,

Ein Meerfels in der Zeiten Windesbraut,

Die nie den Pfad des Licht’s und Recht’s verfehlte;

 

Die Himmelsgaben zahllos euch gespendet,

Die milden Sinnes in der Demuth Kleid

Des Herren Wort verkündet nah’ und fern,

 

Licht, Heil und Kraft in alle Welt gesendet:

Sie schlagt, beladet ihr mit Bitterkeit

Und stoßt sie aus als treulos ihrem Herrn.

 

 

233

 

Wer mocht’ vom Fall die Menschheit neu erheben,

Wer hat, was unterdrückt, vom Joch befreit,

Wer hat aus Sündenkoth die Welt erneut,

Dem Tag des Heils euch alle rückgegeben?

 

Wer spendet durch die Sacramente Leben

Den Hungernden in Sturmesnacht der Zeit,

Wer hat durch’s Wort der Wahrheit euch geweiht,

Geblutet, wie im Lenz des Weinstocks Reben?

 

In ihr will euch der Pelikan vertreten:

Das Lamm und sie durch ihn tilgt eure Schulden

Am Tag des Zorns; ihr danket ihr mit Hohn.

 

Nicht läßt sie ab mit Tragen, Kämpfen, Beten:

Denn selig alle, die Verfolgung dulden

Ob der Gerechtigkeit; groß ist ihr Lohn.

 

 

234

 

Die Jungfrau trägt in härenem Gewand’

Ein Goldgefäß mit Nahrung ew’gen Lebens,

Den Leib des Herrn, sein Blut, das nicht vergebens

Von Golgatha floß über alles Land.

 

Verspottet, vom Geliebten fern verbannt,

Wahrt sie es heilig trotz des Widerstrebens,

Trotz Neideswuth und zürnenden Erhebens

Des Erdengeists hält sie’s in sichrer Hand.

 

Und zu des Ew’gen Thron sie hebt den Blick,

Den Heiligen, den Helden stark und schön,

Der ihr verlobt, zur Rechten dort zu grüßen

 

In sehnsuchtsgluth; so trägt sie ihr Geschick.

So lang’ der Menschheit Wunden offen stehn,

Sie weiß es, werden auch die seinen fließen.

 

 

235

 

Erniedrigung, Leid, Tod und Schmach des Herrn

Wünscht seine Magd, ihm ähnlich, sich zu eignen.

Sie will den Kelch der Leiden nicht verleugnen,

Folgt in den Tod ihm willig froh und gern.

 

Ihr glänzt gleich einem ewig festen Stern

das Kreuz, womit sich all’ die Ihren zeichnen;

Mag dann, was Höll’ und Tod will, sich ereignen,

Er ist ihr nah’ und in Gefahr nicht fern.

 

Froh sammelt sie in Leiden ihre Geister.

Sollt’ sie des Leids, der Schmach beraubt sich sehen,

Sie müßte zweifeln, ob das Heil ihr eigen.

 

Es steht der Knecht nicht über seinem Meister,

Und muß, was an dem grünen Holz geschehen,

Wohl anders nicht am dürren auch sich zeigen.

 

 

236

 

Gibt’s Nichts zu leiden, Nichts zu dulden mehr,

Sprich, irrer Freund, was soll der Mensch auf Erden?

In welchem Feu’r soll Gold geläutert werden?

Ist eitel denn die Red’ vom Kampf und leer?

 

ist Unschuld nicht der Tugend Waff’ und Wehr?

Gedeiht sie nicht in Trübsal und Beschwerden?

Schirmt nicht zuletzt ein sanfter Hirt die Heerden,

Daß keins ein Unheil trifft von Ungefähr?

 

Wer ihm vertraut sein liebend, heitres Hoffen

Bleibt laut’res Gold, so lang es folgt dem Wort,

das er Gehorsam fordernd einst gesprochen.

 

Weh, wer der Stimme des Empörers offen

Das Herz, verläßt den einzig festen Hort:

Sein Hoffen lahmt, die Zuversicht zerbrochen.

 

 

237

 

Ein Herrscher nur, Gott und der ew’ge Sohn,

Sprichst du, soll fortan eine Heerde führen,

Soll seine Macht denn nichts repräsentieren

Hier in der Welt, kein Richterstuhl, kein Thron?

 

O sprich nicht so Natur und Wahrheit Hohn!

Ist nicht der Fixstern, den Planet zu führen,

Sein Herr und Meister? Wird sich’s nicht gebühren,

Dient Erd dem Himmel frei und ohne Frohn?

 

Ist’s Mutterauge nicht dem Säugling schon

Hier die Vertreterin der ew’gen Liebe?

Vertreter der Gerechtigkeit dem Sohn

 

Der Vater, daß er den Gehorsam übe?

Wär’ jede schöne Ordnung nicht entflohn,

Wenn Gott für immer unvertreten bliebe?

 

 

238

 

Ich sah ein Beet voll Glockenblumen, Blüthen

So weiß als blau; zur Sonne viele reichten

Die Kelch’ empor, doch abwärts andre neigten

Zur Erde sich, ihr Huldigung zu bieten.

 

Doch duftend, blühend jene wohl verriethen

Ihr Heil; man sah Thauperlen sie befeuchten,

Und in den Perlen warm es strahlend leuchten,

Des Himmelssegen schien sie zu behüten.

 

Doch die, so dumpf und träge unmuthsvoll

Hinab gebückt zur dunklen Erde sahn,

Sie hehlten in dem Kelch den gift’gen Wurm

 

Statt Perlenthau’s; der Zwietracht Gatte schwoll

In seiner Windung; weh, da hört’ ich’s nahn:

Sie abwärts all’ zu beugen ras’t ein Sturm!

 

 

239

 

Weh, wer verachtend höhnt die Menschenkinder,

Nur eins unter ihnen schätzt gering!

Er lästert Gott, der sie mit Huld umfing

Und noch umfängt, erbarmend sich der Sünder.

 

Um neun und neunzig kümmert er sich minder,

Als um das hundertste, das irre ging;

Sterbend für sie ein Gott am Kreuze hing,

Uns zu erneu’n, des Ebenbilds Erfinder.

 

Doch weh auch, wer der Schlange Saamen nährt,

Mit Höllenlicht und Thau den gift’gen pflegend

In unsrer Brust durch Listen des Empörers;

 

In heil’gen Engels Lichtgestalt zerstört,

Was Gottes Geist erbaut es sanft umhegend,

Erleuchtung nennt die Flamme des Verheerers!

 

 

240

 

Dem Gegensatz der Mannichfaltigkeit,

Des Widerstreits, so Leben deinen Sinnen

Rings beut, o konntest du nie abgewinnen

Ihm einen Reiz, der still erhebend freut?

 

Schallt hell nicht durch der Mißaccorde Streit

Ein heil’ger Ton, wie von des Himmels Zinnen,

Spricht Ahnung nicht: einst muß der Streit zerrinnen

In Eintracht, doch am Ziele erst der Zeit?

 

Wer Gegensatz und Unterschied bekämpft,

Ist Freund des Todes und ein Feind des Lebens,

Wie Menschen es zu führen hier verhängt.

 

Der höchsten Segnung heil’ge Quelle dämpft,

Und zu verschließen sucht, obwohl vergebens,

Werr Höhn und Tiefen platt zusammendrängt.

 

 

241

 

Dein Wort, mir tönt es gleich des Schwanen Lied,

des armen, der, bevor sein Leben knickt,

Von Raben, Kiebitz, Hehern fast erstickt,

In der Versuchung nicht die Sünde mied.

 

Vom Raubgevögel, das die Luft durchzieht,

Auch deine Seel’, o Edler, so umstrickt,

Das reine Gottesauge zugedrückt,

Das leuchtend, liebend einst so schön geglüht!

 

O eil’ zu Hülf’ dem heil’gen Unschuldsschwan

In deiner Brust, den unter schwerem Aechzen

Rab’, Kräh’ und Habicht wüthend rings umkrächzen!

 

Wirf ab, wirf ab des Zweifels dunklen Wahn

An ew’ger Macht Gerechtigkeit! Wir lechzen

Gleich dir: o führ uns reine Himmelsbahn!

 

 

242

 

Besser, sein ein Blatt am Zweig der Eiche,

Das im säuseln kündet Gottes Macht,

Als ein Giftbaum, der gen Himmel ragt,

Trotzend, das kein andrer Baum ihm gleiche.

 

Besser, sein im Thal ein klein Gesträuche,

Das nicht Wandrern süße Frucht versagt,

Als in des Gerichtes Wetternacht

Jener Baum mit keiner Frucht am Zweige.

 

Besser, in dem warmen Frühlingsthal

Unschuldsvoller, treuer Immortellen

Thaubesprengten Blüthen sich gesellen,

 

Als der Ceder, hoch vom Blitzesstrahl

Jäh versengt, zu ew’ger Schmach und Qual

Hingestürzt, im Abgrund zu zerschellen.

 

 

243

 

Nichts Schönres schaut des Himmels Aug’ hienieden

Als heil’ge Unschuld, Demuth, fromme Treu’,

So unterm Dorngestripp der Tyrannei

Still hoffend lebt und duldet liebt den Frieden.

 

O bis zum Ziel sind Dornen uns beschieden!

Die Welt nicht, noch Geschichte macht sich frei

Von ihrem Schmerz: Ros’ unter Dornen sei,

Beglückt, wenn nur die Sünde du vermieden.

 

Du aber willst verhängter Straf’ mit Wüthen

Uns all’ entziehn, als seien Heil’ge wir,

Und Teufel, die uns Gott gestellt zu hüten.

 

Schwerthelden nur, nicht Märt’rer scheinen dir

Des wahren Heldenthumes höchste Blüthen;

Raubst selbst dem Himmel seine schönste Zier.

 

 

244

 

Allmächtig ist die Sanftmuth, Ohnmacht wohnt

Im Zorn allein; wie Irrlichts Flamm’ erlischt

Der Irrthum dort, wo er emporgezischt,

Ob dem Morast, und schlimm dem wandrer lohnt.

 

O Menschengeist, gleich kaltem, bleichem Mond,

Mit dessen Schein sich Nebeldämmrung mischt:

Irrlichter und Gespenst sind weggewischt,

Wenn warm die Sonne neu im Osten thront.

 

Glaub’, Hoffnung, Liebe, wohl ein großes Wort;

Wohl, wem sie wurden! Nimmer doch vergessen

Gehorsam, Lieb’ und Treu’, dreiein’gen Hort

 

Der ird’schen Wohlfahrt. O es ist vermessen

Dem Herrn zwar feurig dienen hier und dort,

Doch nebenher von Götzenspeisen essen.

 

 

245

 

Auf schroffer Berghöh’, nah der Ritterveste,

Birgt fern dem Erdenthal, der Wiesenflur,

Im stillen Klostergrund zwei Täubchen nur

Einsam besorgt die Taub’ im zarten Neste;

 

Die hebt sie sanft und pflegt sie stets auf’s Beste.

Doch eines Tags, o Grau’n, hoch im Azur

Ein Habicht schwebt, erkundend ihre Spur;

Schon ruft im Horst er seine Brut als Gäste.

 

Doch ängstlich eilend trägt zum Kirchendach

Im stillen Klostergrund vorsichtig früh

Sie sorgsam ihrer Täubchen junges Paar.

 

Dort birgt sie sie im sicheren Gemach,

Und Glock’ und Kreuz des Thurms vertheid’gen sie

Vorm schwarzen Aethervieh für immerdar.

 

 

246

 

O selig, wer in stiller Todesstunde

kühn des Verklägers Schreckniß von sich schiebt,

Sich sagen darf: ja, viel hab’ ich geliebt,

Ward auch von Gegenlieb’ mir keine Kunde!

 

Empfangend manche, schlug ich keine Wunde,

Doch nie war ganz der Hoffnung Blick getrübt.

Mein Tagewerk hab’ treu ich ausgeübt

Durch Gotteskraft, mir treu mit Hand und Munde.

 

O selig, wer in seinem Tagewerke

Stillharrend seines Herrn nie ganz verzagt,

Lieb’ und Geduld vorziehend andrer Stärke,

 

Nie selbst sein Recht zu schaffen sich gewagt,

Wo Licht und Recht ihm nicht zum Augenmerke:

Ihm Morgenroth des ew’gen Lebens tagt.

 

 

247

 

Süß singt die Nachtigall in den Platanen,

Den Gräbern nah’, wo Gut’ und Böse schlafen,

Die all’ in einer Bucht zusammentrafen,

Und die Verbrechen scheint sie nicht zu ahnen.

 

Will es an die Barmherzigkeit uns mahnen,

Daß nah’ der Grund beweidet ist von Schafen?

Steigt nicht rings um den stillen Friedenshafen

Der Hain empor, wie grüne Hoffnungsfahnen?

 

O frevelt nicht im Urtheil, seht die Hügel

Von Gras bedeckt, drin sanft die Mailuft weht,

Bunt will der Lenz die Gräber überweben;

 

Und mächtig dehnt, wie weiße Schwanenflügel,

Ein Bild die Arm’ in heil’ger Majestät,

Wie Flammenschwert das Grab zu überschweben.

 

 

248

 

Kniet Einer einsam in den Friedenszelten

Vor Gottes Aug’, o der ist nicht allein!

Und wo da zwei versammelt werden sein

In höherm Namen, werden drei sie gelten.

 

Sind Viele im Verein, zu höh’ren Welten

Den Sinn gewandt, sie sind ein einig Ein;

Einsam wird in Gesellschaft Jeder sein,

Wo liebefern sich aller Herzen kälten.

 

Zwei Liebende, so spricht der Dichter, sind

Sich ein versammelt Volk, obwohl allein,

Denn Stärke ihnen wird die Lieb’ verleihn –

 

Sie suchen Stärke, fliehn, allein zu sein,

Die Menschen, o wie sind sie thöricht, blind,

Und geben Liebe doch wie Spreu dem Wind!

 

 

249

 

Wenn, wo der Meister, auch sein Jünger weilet,

Der Knecht allein des Herren Willen thut,

Im Heißgeliebten der Geliebte ruht,

Und wechselnd Liebe Liebe nimmt und theilet;

 

Wenn in dem Heil, das Alle rettend heilet,

Die Glieder all’ in ihm, der einzig gut,

Genesen neu zu ew’gem Liebesmuth,

Und fernab Zeit mit Sünd’ und Tod enteilet:

 

Dann ist der Zweck erreicht, herrscht Eins in Allen,

Durchstrahlet Licht die Vielen und das Viele

Mit Himmelslust in ew’ger Sabbathsfeier.

 

In einem Wort unzähl’ge Stimmen schallen,

Das alle eint in sel’gem Liebesspiele

Dem Einen sonder Mittel, Schrank und Schleier.

 

 

250

 

Auf Hügels Höh’, den Feig’ und Weinstock zieren,

Woher man weit die Wildniß überschaut,

Steht die Kapell’ aus Lavastein erbaut,

Zu der hinan die eh’rnen Stufen führen.

 

Nur selten Wandrer sich hierher verlieren,

Kaum tönt umher nur eines Vogels Laut;

Am Füß allein die Hütte klein und traut

Des Sakristans fünf Therebinthen zieren.

 

Doch jeden Morgen kommt aus fremden Landen

Ein ernster Mann und bringt ein Opfer dar

Im Heiligthum; das Glöckchen klingt im Thal.

 

Dann müssen fern die Wüstenstürme branden,

Kaum dringt ihr schwacher Ton zum Hochaltar,

Die fernen Herzen trifft ein Friedensstrahl.

 

 

251

 

Die Zeiten kehren, die schon längst verschwanden,

Auf’s Neue glänzt auf Bergen undim Thal

Der frohen Boten Schritt, und noch einmal

Verkünden sie das Kreuz in allen Landen.

 

Sie, die die Welt und selbst sich überwanden,

Empfangen plötzlich in sich das Signal;

Von ew’gen Bergen zückt des Herren Strahl,

Drob alle sich, gleich einem Mann, verbanden.

 

Dann geht ihr Wort mit heiliger Magie,

Den Zauber lösend, um der Menschenherzen

Allmächtig aus in alle Land’ und Meere.

 

Und Tausende herströmen spät und früh,

Und nahn, geheilt von Schlangenbisses Schmerzen,

Weil nah’ der Tag der Herrlichkeit und Ehre.

 

 

252

 

Die Geister alle eint ein ein’ger Geist,

Der ihre Sonne, dem sie Herd und Spiegel;

Das Wort der Weisheit nur schiebt auf die Riegel

Des ew’gen Raths, der Allerbarmer heißt.

 

Nach Unterschied in Farb’ und Helle weist

Sich’s jedem anders, löst das heil’ge Siegel

Dies ein’ge Licht, an dessen mächt’gem Zügel

Das Weltall und die Weltgeschichte kreist.

 

Und jedem Geist nach innrer Lichterfahrung

Und Maaß der Gnade zeigt die eine Welt

Sich enger, weiter; und unendlichfach

 

Wird so des einen Lebens Offenbarung,

Nachdem der Glanz von oben sie erhellt,

Deß ein’ges fiat tausend Welten sprach.

 

 

253

 

Späh’ nicht stets nach fernen, neuen Dingen,

Dein ist Alles, dir in Einem nah’;

I und E. und O und U und A,

Horch, wie sie im Weltaccorde klingen!

 

Ward dir’s, in die Tiefe vorzudringen

Zu dem Worte: schnell erblickst du da,

Ohne den nichts wurde, nichts geschah;

Und sein Lichtquell wird dich bald verjüngen.

 

Hast du ihn gefunden, ohne den

Kein Geschöpf vermag sich auszusprechen,

Kann es fürder dir an nichts gebrechen;

 

In ihm wird dir selbst das Kleinste schön,

Glänzend du dir selbst; durch Höhn und Flächen

Wirst du rings in seinen Himmel sehn.

 

 

254

 

Der Mensch kennt dreier Reiche Steig’ und Pfade,

Und sieht in jedem Offenbarungsspur.

Sie heißen: Gnade, Freiheit und Natur;

Ganz offenbar ist Gott im Reich der Gnade.

 

So, Licht im Feuer-, Feu’r im Finster-Rade,

Gelangst du zu des äußern Dunkels Flur.

Trägt dich Natur, hält Gnade Freiheit nur

Empor, nicht fürcht’ daß dir der Abgrund schade.

 

Natur ist Vorhof, Freiheit und Geschichte

Das Heiligthum, eim höh’res Reich im Reich;

Doch Gottes Reich das Allerheiligste.

 

Im Reich der Freiheit, wo im Gnadenlichte

Verklärt die Seele preist des Ew’gen Ruhm,

Hang’ treu an ihm, zurück nicht strebend je.

 

 

255

 

Wenn Gott, der ewige, auf heil’gen Höhn

In seines Sohnes Herrlichkeit sich spiegelt,

Das ewige Geheimniß sich entsiegelt,

Muß still hervor der Geist der Liebe gehn.

 

O sel’ges Leben, dessen stilles Wehn

Zu Himmelslust die Kreatur beflügelt,

Allgegenwärtig waltend sanft entriegelt

Die Thor’, in die man hofft einst einzugehn.

 

So, soll in ihr das Leben neu erstehn

des Paradieses, jung und neu beflügelt

Psyche entfalten ihre Fitt’che schön:

 

Geschieht es nur, da sie sich liebend spiegelt,

Mit Herz und Willen brennend einzugehn

In ihn, der uns des Himmels Thor entriegelt.

 

 

256

 

Wer zieht uns hoch und regt ein mächtig Sehnen

Tief in der Brust, daß es entlodert, wer?

Wer macht das Herz von dunklen Thränen schwer,

Schnell leicht und licht in einem Strom von Thränen?

 

Von wem mag es der Liebe Gluth entlehnen,

Zu suchen und zu finden Lieb’, woher,

Wenn es nicht selbst die heil’ge Liebe wär’,

In uns, mit uns, sich findend sonder Wähnen?

 

Nur er allein mag das Gesetz erfüllen

In uns, mit uns, vereinigt unserm Willen

Sein Wille sich, der überschwenglich liebt.

 

So führet er, der das Gesetz gegeben

Und es erfüllt, uns ein in’s ew’ge Leben,

Der selbst in uns, durch uns sich Zeugniß gibt.

 

 

257

 

O bleib’ bei uns, bevor wir, von der Erden

Befreit, erlöset ziehn, verlaß uns nicht.

In Sünd- und Irrthums-Nebeln ringsum dicht

Von Räthseln tief umnachtet, voll Beschwerden!

 

O bleib bei uns, denn es will Abend werden!

In unsre Nacht des Kerkers strahlt ein Licht,

Wenn sanft zu uns, die Schrift auslegend, spricht

Dein Gottesmund mit tröstenden Geberden.

 

Dann unter deinem Schriftauslegen brennt

Wohl unser Herz und glüht, daß seine Flammen

Die kalte Todesnacht erwärmen; hell

 

Erglänzt die Wolk’ am hohen Firmament

des zweiten Lebens. Woll’ uns nicht verdammen,

Gib dich uns kund, zur Rettung eilend schnell.

 

 

258

 

O großer Tag, als aus des Himmels Hallen,

Das große Werk des Sohnes zu bekrönen,

Zu stillen der Apostel brünstig Sehnen,

Der heil’ge Geist herniederstieg zu Allen:

 

Da ward zum Feuerwort ihr zages Lallen,

Verständlich Allen sprachen sie, in Tönen

Des andern Lebens, Worte zum Versöhnen,

Voll Eifers, in die weite Welt zu wallen.

 

Seit jenem Tag ward ringsher auf der Erden

Die Botschaft kund, die Alle froh erzählen,

Theil ward am Geist dem Aermsten und Geringsten.

 

Und wo getauft an Christus gläubig werden

Die Seelen, ist der Geist; sie ihn erwählen,

Und auf dem Erdkreis ist ein w’ges Pfingsten.

 

 

259

 

Wie Blumenthäler in den jungen Lenzen,
Geweckt vom Sonnenstrahl, in blaue Luft

Aufwirbeln tausendfält’gen weihrauchduft,

wenn weit sich grün der Berge Scheitel kränzen,

 

So steiget von des Weltalls fernsten Grenzen,

Aus allen Reichen vielfach abgestuft,

Der Preisgesang, ein Halleluja ruft

Empor, so weit der Gottheit Strahlen glänzen.

 

So steigt der Opferduft zum ew’gen Thron,

Zu des Dreiein’gen glanzerfülltem Sitze,

Ununterbrochen ein harmon’scher Ton

 

Aus tausend Tönen. Doch das Preises Lohn

Ist selbst der Preisgesang. Gleich einem Blitze

Durchzuckt den Sänger ew’ge Wonne schon.

 

 

260

 

O wähne nicht, die heil’ge Poesie

Sei Eigenthum und werk von dem und diesen;

Vom heil’gen Geistes Gnade unterwiesen

Erwacht das Herz zu Klang und Harmonie.

 

Allgegenwärtig wecket spät und früh

Des Herren Weisheit, ewiglich gepriesen,

Die Edlen aller Völker, stürzt die Riesen,

Macht Kleine groß durch heil’ge Sympathie;

 

Wie Moses’ Stab den harten Felsen, schlägt

Allgegenwärt’ger Gottheit Strahl das Herz

Der Menschen, daß die ew’gen Quellen sprudeln.

 

Religion und heil’ge Dichtkunst trägt,

Ja Kunst und Weisheit, Alle himmelwärts,

So nicht ihr Werk durch Eigensucht besudeln.

 

 

261

 

Ein Jeder deiner Heiligen am Throne

Trägt einen Kranz aus seltnen Edelsteinen,

Ein Diadem von Tugenden: doch keinen

Siehst leuchten du in gleicher Siegeskrone.

 

Und gabst du Allen gleich dich selbst zum Lohne,

Darf Keiner doch dem Andern gleich erscheinen:

Denn selbst sie müssen sich zur Krone einen,

Zum Strahlendiadem dem ew’gen Sohne.

 

Der leuchtet als die ew’ge Gnadensonne

Aus jedem anders, wie aus tausend Spiegeln,

Aus jeglichem der sel’gen Geister wieder.

 

Ein Liebesmeer, ein Ocean der Wonne

Tränkt, nährt sie all’, und auf der Andacht Flügeln

Nur einen Ton nachhallen tausend Lieder.

 

 

262

 

Aus allen Lobgesängen, die zum Thron

Des heil’gen Urlichts ewig auf sich schwingen,

Die sich der engen Schattenwelt entringen,

Den Kerker lichtend, dem sie stark entflohn,

 

Quillt also süß zum Ewigen kein Ton

Gesegnet ihm auf liebeduft’gen Schwingen,

Als den im Namen Aller ihm zu bringen

Nie müde wird der eingeborne Sohn.

 

In diesem Grundton schön harmonisch klingen

Die Hymnen erst und Chöre aller Sphären

Auf tausend Stufen jubelnd dargebracht.

 

Ihm einige dein Lob, soll dir’s gelingen,

Den Vater wohlgefällig zu verehren

Im Preisgesang, em froh dein Herz erwacht.

 

 

263

 

Du, die das Weltall lenket, stille Macht

Der Weisheit, der die Morgensterne klingen,

Laß deine Engel mir zu Häupten singen,

Sei meine Seele deinem Lob erwacht.

 

Und was ich leis vernehm’ in dunkler Nacht,

Laß mich’s der welt in lichten Worten bringen,

Allmächtig sanft zu deinem Preis zu zwingen

Der Menschen Herzen, durch Musik entfacht.

 

Laß mich Erinnrungs-, Hoffnungs-Freuden künden

Vom Paradies, Erlösung, von der Stadt

Des ew’gen Friedens, Frommen aufgespart,

 

Nach ihr in Sehnsucht Aller Herz entzünden,

Die strahlend hoch das Herz gefesselt hat,

Drin Gott ihr Abbild selig offenbart.

 

 

264

 

Mir schien ein Strahl der Gnade, licht und hehr:

Ich sah den Vater, sah in Wiederbeugung

Das ew’ge Wort, des Geises Liebeneigung,

Den ew’gen Ausfluß und die Wiederkehr.

 

Gleich einem Adler, in dem ew’gen Meer

Der Gottheit schwamm ich: heil’ge Lieberzeigung

Rief mir im Herzen unermess’ne Beugung

Und hub mich hoch hinauf zum Strahlenheer.

 

Und zu erkennen, wie ich selbst erkannt,

Wähnt’ ich schon jetzt, da ich mich selbst dem Bilde

Des Worts im ersten Ausfluß ähnlich fand.

 

Auch mich, den andern Ausfluß, beuget bilde

Zurück der Geist zum Vater, dem verwandt

Die Seele seufzt im nächt’gen Zeigefilde.

 

 

265

 

O wie verstummt, wer dich erkennt und weiß,

Wie still wird er beschämt und kleinlaut schweigen,

Und wie du dich im reinsten Glanz wirst zeigen,

Wird mehr und mehr er zagen kalt und heiß!

 

O deinem Wort nur schwach mit Wörtchen leis

Antwortet bang’ sein Herz, mit süßem Beugen

Wünscht er allein ein lauschend Ohr zu neigen

Dem Himmelswort, zu thun darnach mit Fleiß!

 

Und däucht ihm fast, als sei ihm Zung’ und Mund

Zum Schweigen nur, zum Sprechen nicht gegeben,

Wenn deiner Stimme seine Tiefen beben,

 

Als gäb’ nicht Zung’ und Mund die Wahrheit kund,

Sei nur das Herz, im Innersten versammelt,

der Mund, der leisen Jubellaut dir stammelt.

 

 

 

 

è Fortsetzung