Schlüter Zweiter
Theil
1801 –
1884
(Fortsetzung)
207
Stumm ist an Babels Strom das
Saitenspiel,
Wo spottend Fremde unsre Herzen
kränken.
Laßt gen Jerusalem den Blick
uns lenken
Und weinen, daß des Herren
Veste fiel!
O nicht in Babels wirrendes
Gewühl
Und Sündenwust laßt uns die
Seele senken,
Laßt Tag und Nacht nur Sions
uns gedenken,
So stehn wir fest und kommen
noch zum Ziel!
Laßt rinnen nur die Fluth von
Babels Strömen!
Zur Quelle Siloah, die ewig
fleußt,
Sei unser Blick, wo Gottes
Thron geragt!
Es kommt der Rache Tag und wir
vernehmen:
Dein Retter naht, der schnell
dein Joch zerreißt;
Von Sion strahlt dein Sieg in
deine Nacht.
Was ringst du ewig bang’? es
ist vergebens,
Dich aus Aegyptens Frohn zum
Land der Jugend
Zu sehnen, Freiheit und
Erlösung suchend
Aus diesem wilden Babylon des
Lebens.
Trotz deines Schreiens, Flehens
und Erbebens,
Nicht ahtend des Gefühls und
frommer Tugend,
Schwingt mördrisch der Tyrann
die Geißel fluchend
Ob deinem Nacken,
blutbegier’gen Strebens.
Und unter fremdem Volke, das du
hassest,
Verschwunden ist des Glückes
letzte Spur,
Das hoffend einst dein
Jugendwunsch gefodert.
In dunkler Nacht, wo gramvoll
du erblassest,
Einsam die Flamm’ im
Herzensschreine nur
Dem Gott der Väter still
entgegen lodert.
Den Trost verschmäh’ ich stolz
in meinen Leiden
Von diesem Volk, das nicht
Jehovah kennt,
Das nur mit Lästern seinen
Namen nennt,
Entschlossen, ewig mich von ihm
zu scheiden.
Doch wenn zur Mitternacht die
Sehnsucht brennt
Nach meinem Gott und Salems
sel’gen Freuden,
Dann steig’, o Harf’, herab von
Thränenweiden,
Du, Freundin, die von mir der
Tod nur trennt.
Wie weinend, klagend unter
jenen Zweigen
Der Bach der Heide durch die
Felsen rinnt
Und trauernd sich in dunkle
Tiefen stürzt,
Wo nur noch fern sich ew’ge
Stern’ ihm zeigen:
So still mein Geist ob seinem
Schicksal sinnt,
Flehend zu ihm, der solches
Loos verkürzt.
Aron hatt’ nur Melchisedech zum
Zwecke
Und Sinn, wie den Gedanken die
Geberden.
Wozu der Brandaltar, die
Opferheerden,
Fiel nie vor Moses’ Antlitz
jene Decke?
„Nicht letzt mich Blut der
Farren und der Böcke:
Vom Aufgang bis zum Niedergang
der erden
Soll rein und angenehm bereitet
werden
Ein Opfer mir, das schnell ich
mir erwecke.“
Wißt ihr, wen ihr anbetet?
opfert wem?
Bald zeigt sich euch in
Herrlichkeit und Klarheit
Auf Garizim, wie zu Jerusalem,
Der Herr, verehrt im Geist und
in der Wahrheit.
Ein Opfer bringt zum Heil und
ew’gen Ruhm
Der, eins für immer, drang in’s
Heiligthum.
Lies ohne Christ das alte
Testament;
Wie dunkel rings, wie thöricht,
öd’ und schaal
Scheint Alles dir, wie trüb’
der Worte Schwall,
Wo keines dir den Herd der
Strahlen nennt!
Lies es als Einer, welcher Christus
kennt,
Ihn schaut, ihn hört, empfindet
überall:
Und trunkner Aufgang strahlt
in’s düstre Thal,
Das hell in tausendfachem Feuer
brennt.
Und der der Zeiten Fülle, der
sich weit
Als Licht und Leben spendend,
allzugegen
Ausbreitet durch die Unermeßlichkeit,
Ist auch des Wortes Inhalt
aller Wegen,
Ist morgen, gestern, aller
Wesen Segen
Und Seligkeit im Heut der
Ewigkeit.
Wie durch die Cedern Libanons
im düstern
Gezelt der Wolken, in den
schwarzen Wettern,
Jehovah fährt, laut drohend zu
zerschmettern
Des Urwalds Wipfel; gleich dem
Sturm der Nüstern
Der Rosse sein, ein Schrecken
den Philistern:
So ras’t sein Geist in dieses
Buches Blättern. –
Zum Cedernwald dann werden
seine Lettern,
Durchsäuselt oft vom sanften
Liebesflüstern.
Er kommt heran mit
Donnerungestüm;
Die Erde bebt vor ihm, und
Berg’ und Meere
Zerschmelzen, zittern bang’ vor
seinem Grimme.
Ein Feuer flammt, doch ist er
nicht in ihm,
Nicht im Erdbeben, noch im
Sturm, der Hehre;
Im Abendlüftchen lausche seiner
Stimme.
213
Die Welt in allen Tiefen bebt
und schwankt,
Die Menschen suchen seltsam
neue Bahnen,
Durch den Tumult rings raunt
ein leises Mahnen,
Schwer ist die Zeit im
Innersten erkrankt.
Ihr, die es bangt und heimlich
weg verlangt
Noch vor dem Einsturz, folgt
dem leisen Ahnen!
Noch einmal schwingt die Liebe
ihre Fahnen,
Wo jede Tugend wohlgerüstet
prangt.
Ihr folgt; schon zeigen
flammende Kometen
Am Himmel sich, doch schlimmre
auf der erde,
entfernt von ihres Urquells
Huld und Pracht.
Hinaus, eh’ weit die Himmel rings
sich röthen
Vom Tag des weltgerichts, dem
letzten „Werde!“
Hinaus! „O schöne Welt, nimm
dich in Acht!
Wer krank, will doch als Arzt
die Kranken heilen,
Wer ohne Haus, weis’t Wanderern
ein Schloß;
Im Vorderzug zu gehn, lehrt,
der im Troß
Der Letzte zögert und zurück
auf Meilen.
Der ganze Thor will halben Rath
ertheilen,
Der Lahme zäumt dem Freund ein
Flügelroß;
Der selbst dem Hunger und der
Kälte bloß,
Lehrt zu dem Ort, wo Brot und
Kleidung, eilen;
Wer selbst einäugig, spricht:
Einäugiger,
Wie dau’rst du mich, wie muß
ich dich beklagen!
Der Splitterrichter sieht den
Balken nicht
Im eignen Aug’; o
Wegabbeugiger,
Ruft, wer verirrt! O Thorheit,
sonder Zagen
Rathgeber sein, dem selbst der
Rath gebricht!
Das Wort des Herrn, krächzt man,
spricht Solöcismen,
Dort, unterdeß die eine Rotte
zaudert,
Tritt jene vor und philologisch
plaudert;
Dann schreit sie auf: es
strotzt von Barbarismen!
O wären nur, schallt’s dort,
Paralogismen
So reichlich nicht, daß, wer da
denket, schaudert!
Umsonst nicht haben logisch wir
gehaudert
Uns einzufahren in den
Mechanismen.
Der ruft: o Fabel, Jonas in dem
Seefisch?
Der findet: Alles sei allein
figürlich;
Der spricht: „es ist der
Menschheit Wieg’ und Windel!“
Der schreit: „Moral!“ der
höhnt: „wie unästhetisch!“
Der sprichht: „nicht ideal,
noch auch natürlich!“ –
Hinweg Geschmeiß, weg Pöbel und
Gesindel!!!
Blatt, Blüth’ und Zweige von
dem Baum des Lebens
Steckt ihr vertrocknet, todt,
sie zu vergöttern,
In Bücher: zwischen des Papyrus
Blättern
Sucht ihr in ihnen Farb’ und
Duft vergebens.
Flach, welk und leblos steht
trotz eures Strebens
Des ew’gen Lebens Wort in
schwarzen Lettern;
Weh euch, umdroht von der
Versuchung Wettern:
Hier zu bestehn, nicht todte
Formeln geben’s.
Am Strom nur, der den Baum der
Menschheit tränkt
Aus Edensquell, der durch die
Weltgeschichte
Hellsilbern rinnt, bald
steiget, bald sich senkt,
Wird ew’ge Wahrheit nimmer zum
Gedichte.
Nicht anderswo noch Heil zu
finden denkt:
Wohl weht der Wind, doch setzt
es keine Früchte.
Weh ihm, der Wahres falsch
nennt, Falsches wahr;
Das Güte bös’, und was da bös’
ist gut;
Für Seligkeit anpreist unreine
Gluth,
Für schön verkauft, was
heil’ger Schönheit bar!
Wer Sein nennt, was nicht sein
wird, ist, noch war;
Wahr, was nicht gut, noch
schön, mit keckem Muth,
Gut, was nicht schön und wahr,
mit kaltem Blut,
Und schön, was wahr und gut
nicht immerdar!
Denn ew’ge Schönheit ist die
Harmonie
Der ew’gen Wahrheit, Güt’ und
Heiligkeit;
Im sel’gen Bund magst du sie
Schönheit nennen.
In Gott entzückt, vereint
erblickst du sie,
Entrückt der Zeit im Glanz der
Ewigkeit,
Und was Gott einigt, soll der
Mensch nicht trennen.
„Sinn wird zum Unsinn, der
Verstand zum Thoren,
Fehlt es im Herzen;“ richtige
Empfindung
Beschützt allein das Leben vor
Erblindung,
Wo sie nicht Führer, sind wir
schnell verloren.
Ihr Werk ist’s, wenn das Rechte
wir erkoren;
Des lichten Denkens, so wie
Wollens Gründung
Liegt nur bei ihr; sie knüpfet
die Verbindung
Des Vielgetheilten in dem Tanz
der Horen.
Von ihr getrennt, irrt Witz und
Wille stündlich
In tausendfältig wirre
Labyrinthe,
Wo uns zu schaden jeder Dämon
lauert.
In ihr stets neu ist unser
Aufgang findlich;
Still kehrt zu ihr, wo falsches
Gut es minnte,
Das Herz von heil’ger Wahrheit
Strahl durchschauert.
Es seufzt ein Kind an dunkler
Tempelschwelle
Und lauscht und bangt, ein
einsames Atom
In weiter Nacht; zur Seit’ ihm
rauscht der Strom
Und klagt am Strand,
hinfluthend Well’ auf Welle.
Ein Paradies ist drinnen jede
Zelle,
Spricht es, ich weiß, der Glaub’
ist kein Phantom,
Drin weilt die Lieb’, ja
drinnen ist der Dom
Von Millionen Lichtern
spiegelhelle.
Doch Nacht ist rings und
schaurig in den Zweigen,
Unwirthlich saust der Sturm und
bietet Hohn
Den Thränen mein, die in dem
Frost erstarrten.
Sie täuschen nicht, die solchen
Weg mir zeigen,
Bald zuckt ein Glanz, bald bebt
ein leiser Ton,
Rasch fahr’ ich auf. O laß mich
ruhig warten!
Frohlockt, ein süßer Nam’ ist
uns gegeben,
In dessen Hut wir ruhig
schlafen können,
In dessen Kraft wir rasch zum
Ziele rennen,
Schon unterwegs in Siegesfreud’
erbeben!
Möcht’ er uns stets im reinen
Herzen schweben,
Der heil’ge Nam’, und nie von
uns sich trennen;
Vergebens wir auf Trost und
Hülfe sännen,
Würd’ er nicht tröstend
schützend uns umgeben.
O dieser Name scheucht die
Finsterniß,
Ist Kraft, Licht, Wonne, sel’ge
Ruh’ und Frieden,
Schon Lebenselement der Seel’
hienieden!
Hoffend auf ihn sind wir des
Siegs gewiß,
Wo nur der Welt Befleckung wir
gemieden,
Geschlossen ward durch ihn des
Abgrunds Riß.
In einem Namen ward die Welt
besiegt,
In ihm allein wird jeder Sieg
gewonnen
Und seine Lettern glänzen
gleich, wie Sonnen,
Und Gut und Bös sich seiner
Allmacht fügt.
Was gut, folgt liebend seinem
Tageslicht,
Gespeist, getränkt aus seinem
sel’gen Bronnen.
In seinem Arm; in Ohnmacht
schnell zerronnen
Die böse Kraft vor ihm sich
zitternd schmiegt.
Bleibst du in ihm und er in
dir, ist dein
Das weite All, sein Reich; in
allen Kriegen
Wirst du in dieses Namens
Allmacht siegen;
In ihm des schlimmsten Feind’s
Besieger sein,
Wird selbst die Ichheit seinem
Wort sich fügen,
Die Selbstsucht sich der Lieb’
zu Füßen schmiegen.
Sprich: welchem Namen sei der
höchste Preis,
In welchem Namen willst du
selig werden,
Im Himmel einst und hier schon
auf der Erden?
Ist’s Mammon, Cypris, Phöbus
oder Zeus?
Ist’s ird’schen Lehrers
Vorschrift und Geheiß,
Im eignen Namen lehrend mit
Geberden
Des Stolzes? Hilft ein solcher
in Beschwerden
Des Pilgerlaufs, sanft
trocknend dir den Schweiß?
Ist’s Freund, Geliebter, König,
Vaterland,
Ist’s Freiheit, die des wilden
Aufruhrs Saamen
Und nicht des Friedens? Ist’s im eig’nen Namen?
Ist’s ird’sche Macht, Kunst,
Weisheit und Verstand
Und Alles, was im Tode schnell
verschwand?
Der Nam’ ist Jesus; der ist Ja
und Amen.
Nur Lieb’ und Leiden ist der
Menschheit Theil.
Seit aus dem Paradiese wir
geschieden,
Hat Lieb’ in Freude unsern Pfad
gemieden;
Zu ihr führt nur der Bergweg
schmal und steil.
Sieh hin, von Golgatha naht
unser Heil,
Sieh Lieb’ im Leid, Erlösung,
Himmelsfrieden
Und ew’ge Hoffnung; willst du
Größres bieten,
Bist du ein Lügner, trotzig,
feig und feil.
Noch steht der Cherub mit dem
Flammenschwerte,
Nach des Allmächtigen
entschiednem Worte
Die Rückkehr hemmend zu der
heil’gen Pforte.
Von der verbotnen Frucht ißt der
Bethörte
Auf’s Neue, der den Lebensbaum
nicht ehrte;
Frag’ noch, warum ihm jedes
Glück verdorrte.
So ließ er denn als Waisen uns
zurücke
In dieser Welt, hinscheidend
ungerührt
Von seiner Treuen Loos im
Mißgeschicke,
Indeß sein Strom im Sande sich
verliert?
Nicht kam der Geist eröffnend
ihre Blicke,
Der siebenfach die Seele
schmückt und ziert?
Warum und wo entstand die
grause Lücke,
Der Riß, so bis zum Ende dauern
wird?
Und stiftet er, den Erd’ und
Himmel loben,
Der nur herab ein Buch zu
bringen kam,
So schlecht ein Bild der
Gottesstadt dort droben,
Daß er gen Himmel fahrend mit
sich nahm
Das heil’ge Feuer, welches
anzuzünden
Er niederstieg, daß keiner es
mag finden?
Von oben strebt aus ew’ger
Weisheit Schooße
Der heil’ge Weinstock, rankend
in der welt
Sucht er zu wurzeln; seine Reb’
erhält
Voll edlen Saft’s sein Stamm,
der heil’ge, große.
Theil nimmt an ihm die lichte
Blüthenrose
Der heil’gen Menschheit, deren
Pilgerzelt
Tief unten steht; die Erde
unterhält,
Was irdisch ist an ihr, mit
kurzem Loose.
Doch was aus jenes Stammes
Kraft entsprossen,
wandelt in ew’ges, was
vergänglich schien,
Macht Ird’sches zu der Ewigkeit
Genossen.
Wohl möcht’ der Menschheit
Pflanze an sich ziehn
Und wandeln ganz zu heil’gen
Stammes Schossen,
Der für die Menschen all’ sein
Blut vergossen.
Orpheus allein konnt’ Orpheus
Leier rühren,
Die Bergeseichen ihm zu folgen
zwang,
Die zaubermächtig durch den
Orkus drang,
Die Felsen zähmt’ und Menschen
gleich den Thieren.
Doch schnell mußt’ allen Zauber
sie verlieren,
Ohnmächtig ward sie, war mit
ihrem Klang
Vermählet nicht sein
himmlischer Gesang,
Und keine That mehr konnte sie
vollführen.
O jene Leier ist des Herren
Wort,
Ihr Meister nur die Kirche,
gottgestiftet,
Und sein Gesang die heil’ge
Überlieferung.
Wohl heimlich wächst die Frucht
des Lebens dort,
Wenn spendend sie den heil’gen
Vorhang lüftet,
Und ihr Gesang hinzubringt die
Entziffrung.
Das Buch der Bücher ist, wir
sagen’s alle,
Das Wort des Lebens, welches
nimmer wankt,
Ein Heilungsbalsam Allem, was
erkrankt
In Sünd’ und Irrthum seit dem
ersten Falle.
So preist nächst Gott denn auch
in heil’ger Halle
Die edlen Schaffner, denen
ihr’s verdankt,
Daß ihr es habt noch rein und
ächt: o schwankt
Zu preisen nicht die Kirch’ im
Jubelschalle!
In ihrer heil’gen Halle springt
der Quell,
Worin heilbringend ew’gen Worts
Krystall
Zum Segenstrank bereitet wird
den Armen.
Dort schöpft das Wort des
Lebens klar und hell,
Wo es lebendig; tragt es
überall,
Daß Aller Herz und Glieder neu
erwarmen.
Stolz schwatzen sie aus ihren
Vogelbauern,
Die statt der Kirch’ jetzt
Jeder um sich baut,
In buntgeschnitzter Rede viel
und laut,
Verhöhnend Sion’s Thurm und
heil’ge Mauern.
Elend Gevögel, seht den Feind
doch lauern!
Des Vogelstellers Pfeife nimmer
traut!
O nicht auf jene leeren
Schwätzer schaut
Vom steten Fortschritt, die
selbst träge kauern!
Von Menschenwürd’, aufrechtem
Gang und Schritt,
Der weiter vorwärts dringt,
hallt ihre Predigt,
Begeistert sind sie für den
Organismus.
Dem Atomisten spielt man übel
mit,
Und überall wird die Idee
erledigt
In Kirch und Staat; nur
bleibt’s beim Egoismus.
Aus Blindheit, Tod und Sünd’
uns zu erretten
Durch seinen Tod, stieg er voll
Lieb’ herab:
Nicht drum besiegt’ er Sünde,
Welt und Grab,
Daß wir zu lesen und zu reden
hätten.
Nur darum sprengte er des
Abgrunds Ketten,
Auf daß sein Volk ihm treu am
Pilgerstab
Nachfolgte; daß der Nahrung
Füll’ es hab’,
Und Ueberfluß, wollt’ er so
hart sich betten.
Wie siebenfach der weiße Strahl
sich spaltet,
So heil’ger Strom, der seiner
Seit’ entschoß,
Zertjeilend sich in sieben
Sacramente,
Mit deren Schatz die heil’ge
Kirche schaltet,
Die treu sie wahret in dem
heil’gen Schooß;
Drum hungert Jeden, der von ihr
sich trennte.
230
Seit
ihr gestrebt, euch selbst das Licht zu schaffen,
Und euch bedünkt, die Weisheit
elbst zu sein,
Zerquält ihr euch in Hunger,
Durst und Pein;
Krank ist das Herz, die Glieder
all’ erschlafften.
Nicht gleich dem Raube läßt
sich Wahrheit raffen,
Vertrauend eurer Blendlaterne
Schein,
Was habt ihr nun? Sophisten
schlichen ein,
Anstatt der Weisen, statt der
Priester, Pfaffen.
Seit ihr nicht Kirch’, nicht
Überliefrung hört,
Und über Heil’ges euch nicht
schämt zu lachen,
Von unglücksel’gem, finsterm
Wahn bethört;
Seitdem der Feind die gute Saat
verheert,
Will Staat und Kirch’ und
Kön’ge auch man machen
Auf eig’ne Hand, trotz eurem
Arguswachen.
Was reißt ihr von dem
Sternendiademe
Der ew’gen Weisheit Strahlen,
sie zu hangen
Um eure Götzen, frech von Blick
und Wangen,
Daß Lügenschein den Schritt zum
Himmel lähme?
O daß eu’r Thun der Engel Blick
beschäme,
Wenn ihr der Braut, vom ein’gen
Gott umfangen,
Raubt ihre Zierde, Krone, Ring’
und Spangen,
Im Wahn, daß willig sie sich
euch bequeme.
Sei’s Thiergebild, sei’s Hain,
Gestirn, sei’s Gold,
Sei’s Menschenehr’ und Ruhm,
sei’s niedre Lust,
Sei’s Wissen, Kunst, die ihr
umtanzt als Götzen,
Die mit dem Kirchenraub ihr
schmücken wollt:
Habt Acht, Gott wid zu ewigem
Verlust
Euch in Aegyptens Mitternacht
versetzen.
Des höchsten Gottes reine,
auserwählte,
Des größten Fürsten unbefleckte
Braut,
Die stets nur des Verlobten Arm
vertraut,
Die treu der Vorzeit Kunde euch
erzählte,
Die Gottes ew’gem, heil’gem
Geist Vermählte,
Die folgend ihm nie rechts,
noch links geschaut,
Ein Meerfels in der Zeiten
Windesbraut,
Die nie den Pfad des Licht’s
und Recht’s verfehlte;
Die Himmelsgaben zahllos euch
gespendet,
Die milden Sinnes in der Demuth
Kleid
Des Herren Wort verkündet nah’
und fern,
Licht, Heil und Kraft in alle
Welt gesendet:
Sie schlagt, beladet ihr mit
Bitterkeit
Und stoßt sie aus als treulos
ihrem Herrn.
Wer mocht’ vom Fall die
Menschheit neu erheben,
Wer hat, was unterdrückt, vom
Joch befreit,
Wer hat aus Sündenkoth die Welt
erneut,
Dem Tag des Heils euch alle
rückgegeben?
Wer spendet durch die
Sacramente Leben
Den Hungernden in Sturmesnacht
der Zeit,
Wer hat durch’s Wort der
Wahrheit euch geweiht,
Geblutet, wie im Lenz des
Weinstocks Reben?
In ihr will euch der Pelikan
vertreten:
Das Lamm und sie durch ihn
tilgt eure Schulden
Am Tag des Zorns; ihr danket
ihr mit Hohn.
Nicht läßt sie ab mit Tragen,
Kämpfen, Beten:
Denn selig alle, die Verfolgung
dulden
Ob der Gerechtigkeit; groß ist
ihr Lohn.
Die Jungfrau trägt in härenem
Gewand’
Ein Goldgefäß mit Nahrung
ew’gen Lebens,
Den Leib des Herrn, sein Blut,
das nicht vergebens
Von Golgatha floß über alles
Land.
Verspottet, vom Geliebten fern
verbannt,
Wahrt sie es heilig trotz des
Widerstrebens,
Trotz Neideswuth und zürnenden
Erhebens
Des Erdengeists hält sie’s in
sichrer Hand.
Und zu des Ew’gen Thron sie
hebt den Blick,
Den Heiligen, den Helden stark
und schön,
Der ihr verlobt, zur Rechten
dort zu grüßen
In sehnsuchtsgluth; so trägt
sie ihr Geschick.
So lang’ der Menschheit Wunden
offen stehn,
Sie weiß es, werden auch die
seinen fließen.
Erniedrigung, Leid, Tod und
Schmach des Herrn
Wünscht seine Magd, ihm
ähnlich, sich zu eignen.
Sie will den Kelch der Leiden
nicht verleugnen,
Folgt in den Tod ihm willig
froh und gern.
Ihr glänzt gleich einem ewig
festen Stern
das Kreuz, womit sich all’ die
Ihren zeichnen;
Mag dann, was Höll’ und Tod
will, sich ereignen,
Er ist ihr nah’ und in Gefahr
nicht fern.
Froh sammelt sie in Leiden ihre
Geister.
Sollt’ sie des Leids, der
Schmach beraubt sich sehen,
Sie müßte zweifeln, ob das Heil
ihr eigen.
Es steht der Knecht nicht über
seinem Meister,
Und muß, was an dem grünen Holz
geschehen,
Wohl anders nicht am dürren
auch sich zeigen.
Gibt’s Nichts zu leiden, Nichts
zu dulden mehr,
Sprich, irrer Freund, was soll
der Mensch auf Erden?
In welchem Feu’r soll Gold
geläutert werden?
Ist eitel denn die Red’ vom
Kampf und leer?
ist Unschuld nicht der Tugend
Waff’ und Wehr?
Gedeiht sie nicht in Trübsal
und Beschwerden?
Schirmt nicht zuletzt ein
sanfter Hirt die Heerden,
Daß keins ein Unheil trifft von
Ungefähr?
Wer ihm vertraut sein liebend,
heitres Hoffen
Bleibt laut’res Gold, so lang
es folgt dem Wort,
das er Gehorsam fordernd einst
gesprochen.
Weh, wer der Stimme des
Empörers offen
Das Herz, verläßt den einzig
festen Hort:
Sein Hoffen lahmt, die
Zuversicht zerbrochen.
Ein Herrscher nur, Gott und der
ew’ge Sohn,
Sprichst du, soll fortan eine
Heerde führen,
Soll seine Macht denn nichts
repräsentieren
Hier in der Welt, kein
Richterstuhl, kein Thron?
O sprich nicht so Natur und
Wahrheit Hohn!
Ist nicht der Fixstern, den
Planet zu führen,
Sein Herr und Meister? Wird
sich’s nicht gebühren,
Dient Erd dem Himmel frei und
ohne Frohn?
Ist’s Mutterauge nicht dem
Säugling schon
Hier die Vertreterin der ew’gen
Liebe?
Vertreter der Gerechtigkeit dem
Sohn
Der Vater, daß er den Gehorsam
übe?
Wär’ jede schöne Ordnung nicht
entflohn,
Wenn Gott für immer unvertreten
bliebe?
Ich sah ein Beet voll
Glockenblumen, Blüthen
So weiß als blau; zur Sonne
viele reichten
Die Kelch’ empor, doch abwärts
andre neigten
Zur Erde sich, ihr Huldigung zu
bieten.
Doch duftend, blühend jene wohl
verriethen
Ihr Heil; man sah Thauperlen
sie befeuchten,
Und in den Perlen warm es
strahlend leuchten,
Des Himmelssegen schien sie zu
behüten.
Doch die, so dumpf und träge
unmuthsvoll
Hinab gebückt zur dunklen Erde
sahn,
Sie hehlten in dem Kelch den
gift’gen Wurm
Statt Perlenthau’s; der
Zwietracht Gatte schwoll
In seiner Windung; weh, da
hört’ ich’s nahn:
Sie abwärts all’ zu beugen
ras’t ein Sturm!
Weh, wer verachtend höhnt die
Menschenkinder,
Nur eins unter ihnen schätzt
gering!
Er lästert Gott, der sie mit
Huld umfing
Und noch umfängt, erbarmend
sich der Sünder.
Um neun und neunzig kümmert er
sich minder,
Als um das hundertste, das irre
ging;
Sterbend für sie ein Gott am
Kreuze hing,
Uns zu erneu’n, des Ebenbilds
Erfinder.
Doch weh auch, wer der Schlange
Saamen nährt,
Mit Höllenlicht und Thau den
gift’gen pflegend
In unsrer Brust durch Listen
des Empörers;
In heil’gen Engels Lichtgestalt
zerstört,
Was Gottes Geist erbaut es
sanft umhegend,
Erleuchtung nennt die Flamme
des Verheerers!
Dem Gegensatz der
Mannichfaltigkeit,
Des Widerstreits, so Leben
deinen Sinnen
Rings beut, o konntest du nie
abgewinnen
Ihm einen Reiz, der still
erhebend freut?
Schallt hell nicht durch der
Mißaccorde Streit
Ein heil’ger Ton, wie von des
Himmels Zinnen,
Spricht Ahnung nicht: einst muß
der Streit zerrinnen
In Eintracht, doch am Ziele
erst der Zeit?
Wer Gegensatz und Unterschied
bekämpft,
Ist Freund des Todes und ein
Feind des Lebens,
Wie Menschen es zu führen hier
verhängt.
Der höchsten Segnung heil’ge
Quelle dämpft,
Und zu verschließen sucht,
obwohl vergebens,
Werr Höhn und Tiefen platt
zusammendrängt.
Dein Wort, mir tönt es gleich
des Schwanen Lied,
des armen, der, bevor sein
Leben knickt,
Von Raben, Kiebitz, Hehern fast
erstickt,
In der Versuchung nicht die
Sünde mied.
Vom Raubgevögel, das die Luft
durchzieht,
Auch deine Seel’, o Edler, so
umstrickt,
Das reine Gottesauge
zugedrückt,
Das leuchtend, liebend einst so
schön geglüht!
O eil’ zu Hülf’ dem heil’gen
Unschuldsschwan
In deiner Brust, den unter
schwerem Aechzen
Rab’, Kräh’ und Habicht wüthend
rings umkrächzen!
Wirf ab, wirf ab des Zweifels
dunklen Wahn
An ew’ger Macht Gerechtigkeit!
Wir lechzen
Gleich dir: o führ uns reine
Himmelsbahn!
Besser, sein ein Blatt am Zweig
der Eiche,
Das im säuseln kündet Gottes
Macht,
Als ein Giftbaum, der gen
Himmel ragt,
Trotzend, das kein andrer Baum
ihm gleiche.
Besser, sein im Thal ein klein
Gesträuche,
Das nicht Wandrern süße Frucht
versagt,
Als in des Gerichtes
Wetternacht
Jener Baum mit keiner Frucht am
Zweige.
Besser, in dem warmen
Frühlingsthal
Unschuldsvoller, treuer
Immortellen
Thaubesprengten Blüthen sich
gesellen,
Als der Ceder, hoch vom
Blitzesstrahl
Jäh versengt, zu ew’ger Schmach
und Qual
Hingestürzt, im Abgrund zu
zerschellen.
Nichts Schönres schaut des
Himmels Aug’ hienieden
Als heil’ge Unschuld, Demuth,
fromme Treu’,
So unterm Dorngestripp der
Tyrannei
Still hoffend lebt und duldet
liebt den Frieden.
O bis zum Ziel sind Dornen uns
beschieden!
Die Welt nicht, noch Geschichte
macht sich frei
Von ihrem Schmerz: Ros’ unter
Dornen sei,
Beglückt, wenn nur die Sünde du
vermieden.
Du aber willst verhängter
Straf’ mit Wüthen
Uns all’ entziehn, als seien
Heil’ge wir,
Und Teufel, die uns Gott
gestellt zu hüten.
Schwerthelden nur, nicht
Märt’rer scheinen dir
Des wahren Heldenthumes höchste
Blüthen;
Raubst selbst dem Himmel seine
schönste Zier.
Allmächtig ist die Sanftmuth,
Ohnmacht wohnt
Im Zorn allein; wie Irrlichts
Flamm’ erlischt
Der Irrthum dort, wo er
emporgezischt,
Ob dem Morast, und schlimm dem
wandrer lohnt.
O Menschengeist, gleich kaltem,
bleichem Mond,
Mit dessen Schein sich
Nebeldämmrung mischt:
Irrlichter und Gespenst sind
weggewischt,
Wenn warm die Sonne neu im
Osten thront.
Glaub’, Hoffnung, Liebe, wohl
ein großes Wort;
Wohl, wem sie wurden! Nimmer
doch vergessen
Gehorsam, Lieb’ und Treu’,
dreiein’gen Hort
Der ird’schen Wohlfahrt. O es
ist vermessen
Dem Herrn zwar feurig dienen
hier und dort,
Doch nebenher von Götzenspeisen
essen.
Auf schroffer Berghöh’, nah der
Ritterveste,
Birgt fern dem Erdenthal, der
Wiesenflur,
Im stillen Klostergrund zwei
Täubchen nur
Einsam besorgt die Taub’ im
zarten Neste;
Die hebt sie sanft und pflegt
sie stets auf’s Beste.
Doch eines Tags, o Grau’n, hoch
im Azur
Ein Habicht schwebt, erkundend
ihre Spur;
Schon ruft im Horst er seine
Brut als Gäste.
Doch ängstlich eilend trägt zum
Kirchendach
Im stillen Klostergrund
vorsichtig früh
Sie sorgsam ihrer Täubchen
junges Paar.
Dort birgt sie sie im sicheren
Gemach,
Und Glock’ und Kreuz des Thurms
vertheid’gen sie
Vorm schwarzen Aethervieh für
immerdar.
O selig, wer in stiller
Todesstunde
kühn des Verklägers Schreckniß
von sich schiebt,
Sich sagen darf: ja, viel hab’
ich geliebt,
Ward auch von Gegenlieb’ mir keine
Kunde!
Empfangend manche, schlug ich
keine Wunde,
Doch nie war ganz der Hoffnung
Blick getrübt.
Mein Tagewerk hab’ treu ich
ausgeübt
Durch Gotteskraft, mir treu mit
Hand und Munde.
O selig, wer in seinem
Tagewerke
Stillharrend seines Herrn nie
ganz verzagt,
Lieb’ und Geduld vorziehend
andrer Stärke,
Nie selbst sein Recht zu
schaffen sich gewagt,
Wo Licht und Recht ihm nicht
zum Augenmerke:
Ihm Morgenroth des ew’gen
Lebens tagt.
Süß singt die Nachtigall in den
Platanen,
Den Gräbern nah’, wo Gut’ und
Böse schlafen,
Die all’ in einer Bucht
zusammentrafen,
Und die Verbrechen scheint sie
nicht zu ahnen.
Will es an die Barmherzigkeit
uns mahnen,
Daß nah’ der Grund beweidet ist
von Schafen?
Steigt nicht rings um den
stillen Friedenshafen
Der Hain empor, wie grüne
Hoffnungsfahnen?
O frevelt nicht im Urtheil,
seht die Hügel
Von Gras bedeckt, drin sanft
die Mailuft weht,
Bunt will der Lenz die Gräber
überweben;
Und mächtig dehnt, wie weiße
Schwanenflügel,
Ein Bild die Arm’ in heil’ger
Majestät,
Wie Flammenschwert das Grab zu
überschweben.
Kniet Einer einsam in den
Friedenszelten
Vor Gottes Aug’, o der ist
nicht allein!
Und wo da zwei versammelt
werden sein
In höherm Namen, werden drei
sie gelten.
Sind Viele im Verein, zu höh’ren
Welten
Den Sinn gewandt, sie sind ein
einig Ein;
Einsam wird in Gesellschaft
Jeder sein,
Wo liebefern sich aller Herzen
kälten.
Zwei Liebende, so spricht der
Dichter, sind
Sich ein versammelt Volk,
obwohl allein,
Denn Stärke ihnen wird die Lieb’
verleihn –
Sie suchen Stärke, fliehn,
allein zu sein,
Die Menschen, o wie sind sie
thöricht, blind,
Und geben Liebe doch wie Spreu
dem Wind!
Wenn, wo der Meister, auch sein
Jünger weilet,
Der Knecht allein des Herren
Willen thut,
Im Heißgeliebten der Geliebte
ruht,
Und wechselnd Liebe Liebe nimmt
und theilet;
Wenn in dem Heil, das Alle
rettend heilet,
Die Glieder all’ in ihm, der
einzig gut,
Genesen neu zu ew’gem
Liebesmuth,
Und fernab Zeit mit Sünd’ und
Tod enteilet:
Dann ist der Zweck erreicht,
herrscht Eins in Allen,
Durchstrahlet Licht die Vielen
und das Viele
Mit Himmelslust in ew’ger
Sabbathsfeier.
In einem Wort unzähl’ge Stimmen
schallen,
Das alle eint in sel’gem
Liebesspiele
Dem Einen sonder Mittel,
Schrank und Schleier.
Auf Hügels Höh’, den Feig’ und
Weinstock zieren,
Woher man weit die Wildniß
überschaut,
Steht die Kapell’ aus Lavastein
erbaut,
Zu der hinan die eh’rnen Stufen
führen.
Nur selten Wandrer sich hierher
verlieren,
Kaum tönt umher nur eines
Vogels Laut;
Am Füß allein die Hütte klein
und traut
Des Sakristans fünf
Therebinthen zieren.
Doch jeden Morgen kommt aus
fremden Landen
Ein ernster Mann und bringt ein
Opfer dar
Im Heiligthum; das Glöckchen
klingt im Thal.
Dann müssen fern die
Wüstenstürme branden,
Kaum dringt ihr schwacher Ton
zum Hochaltar,
Die fernen Herzen trifft ein
Friedensstrahl.
Die Zeiten kehren, die schon
längst verschwanden,
Auf’s Neue glänzt auf Bergen
undim Thal
Der frohen Boten Schritt, und
noch einmal
Verkünden sie das Kreuz in
allen Landen.
Sie, die die Welt und selbst
sich überwanden,
Empfangen plötzlich in sich das
Signal;
Von ew’gen Bergen zückt des
Herren Strahl,
Drob alle sich, gleich einem
Mann, verbanden.
Dann geht ihr Wort mit heiliger
Magie,
Den Zauber lösend, um der Menschenherzen
Allmächtig aus in alle Land’
und Meere.
Und Tausende herströmen spät
und früh,
Und nahn, geheilt von
Schlangenbisses Schmerzen,
Weil nah’ der Tag der
Herrlichkeit und Ehre.
Die Geister alle eint ein
ein’ger Geist,
Der ihre Sonne, dem sie Herd
und Spiegel;
Das Wort der Weisheit nur
schiebt auf die Riegel
Des ew’gen Raths, der
Allerbarmer heißt.
Nach Unterschied in Farb’ und
Helle weist
Sich’s jedem anders, löst das
heil’ge Siegel
Dies ein’ge Licht, an dessen
mächt’gem Zügel
Das Weltall und die
Weltgeschichte kreist.
Und jedem Geist nach innrer
Lichterfahrung
Und Maaß der Gnade zeigt die
eine Welt
Sich enger, weiter; und
unendlichfach
Wird so des einen Lebens
Offenbarung,
Nachdem der Glanz von oben sie
erhellt,
Deß ein’ges fiat tausend Welten
sprach.
Späh’ nicht stets nach fernen,
neuen Dingen,
Dein ist Alles, dir in Einem
nah’;
I und E. und O und U und A,
Horch, wie sie im Weltaccorde
klingen!
Ward dir’s, in die Tiefe
vorzudringen
Zu dem Worte: schnell erblickst
du da,
Ohne den nichts wurde, nichts
geschah;
Und sein Lichtquell wird dich
bald verjüngen.
Hast du ihn gefunden, ohne den
Kein Geschöpf vermag sich
auszusprechen,
Kann es fürder dir an nichts
gebrechen;
In ihm wird dir selbst das
Kleinste schön,
Glänzend du dir selbst; durch
Höhn und Flächen
Wirst du rings in seinen Himmel
sehn.
Der Mensch kennt dreier Reiche
Steig’ und Pfade,
Und sieht in jedem
Offenbarungsspur.
Sie heißen: Gnade, Freiheit und
Natur;
Ganz offenbar ist Gott im Reich
der Gnade.
So, Licht im Feuer-, Feu’r im
Finster-Rade,
Gelangst du zu des äußern
Dunkels Flur.
Trägt dich Natur, hält Gnade
Freiheit nur
Empor, nicht fürcht’ daß dir
der Abgrund schade.
Natur ist Vorhof, Freiheit und
Geschichte
Das Heiligthum, eim höh’res
Reich im Reich;
Doch Gottes Reich das
Allerheiligste.
Im Reich der Freiheit, wo im
Gnadenlichte
Verklärt die Seele preist des
Ew’gen Ruhm,
Hang’ treu an ihm, zurück nicht
strebend je.
Wenn Gott, der ewige, auf
heil’gen Höhn
In seines Sohnes Herrlichkeit
sich spiegelt,
Das ewige Geheimniß sich
entsiegelt,
Muß still hervor der Geist der
Liebe gehn.
O sel’ges Leben, dessen stilles
Wehn
Zu Himmelslust die Kreatur
beflügelt,
Allgegenwärtig waltend sanft
entriegelt
Die Thor’, in die man hofft einst
einzugehn.
So, soll in ihr das Leben neu
erstehn
des Paradieses, jung und neu
beflügelt
Psyche entfalten ihre Fitt’che
schön:
Geschieht es nur, da sie sich
liebend spiegelt,
Mit Herz und Willen brennend
einzugehn
In ihn, der uns des Himmels
Thor entriegelt.
Wer zieht uns hoch und regt ein
mächtig Sehnen
Tief in der Brust, daß es
entlodert, wer?
Wer macht das Herz von dunklen
Thränen schwer,
Schnell leicht und licht in
einem Strom von Thränen?
Von wem mag es der Liebe Gluth
entlehnen,
Zu suchen und zu finden Lieb’,
woher,
Wenn es nicht selbst die
heil’ge Liebe wär’,
In uns, mit uns, sich findend
sonder Wähnen?
Nur er allein mag das Gesetz
erfüllen
In uns, mit uns, vereinigt
unserm Willen
Sein Wille sich, der
überschwenglich liebt.
So führet er, der das Gesetz
gegeben
Und es erfüllt, uns ein in’s
ew’ge Leben,
Der selbst in uns, durch uns
sich Zeugniß gibt.
O bleib’ bei uns, bevor wir,
von der Erden
Befreit, erlöset ziehn, verlaß
uns nicht.
In Sünd- und Irrthums-Nebeln
ringsum dicht
Von Räthseln tief umnachtet,
voll Beschwerden!
O bleib bei uns, denn es will
Abend werden!
In unsre Nacht des Kerkers
strahlt ein Licht,
Wenn sanft zu uns, die Schrift
auslegend, spricht
Dein Gottesmund mit tröstenden
Geberden.
Dann unter deinem Schriftauslegen
brennt
Wohl unser Herz und glüht, daß
seine Flammen
Die kalte Todesnacht erwärmen;
hell
Erglänzt die Wolk’ am hohen
Firmament
des zweiten Lebens. Woll’ uns
nicht verdammen,
Gib dich uns kund, zur Rettung
eilend schnell.
O großer Tag, als aus des
Himmels Hallen,
Das große Werk des Sohnes zu
bekrönen,
Zu stillen der Apostel brünstig
Sehnen,
Der heil’ge Geist
herniederstieg zu Allen:
Da ward zum Feuerwort ihr zages
Lallen,
Verständlich Allen sprachen
sie, in Tönen
Des andern Lebens, Worte zum Versöhnen,
Voll Eifers, in die weite Welt
zu wallen.
Seit jenem Tag ward ringsher
auf der Erden
Die Botschaft kund, die Alle
froh erzählen,
Theil ward am Geist dem
Aermsten und Geringsten.
Und wo getauft an Christus
gläubig werden
Die Seelen, ist der Geist; sie
ihn erwählen,
Und auf dem Erdkreis ist ein
w’ges Pfingsten.
Wie Blumenthäler in den jungen
Lenzen,
Geweckt vom Sonnenstrahl, in blaue Luft
Aufwirbeln tausendfält’gen
weihrauchduft,
wenn weit sich grün der Berge
Scheitel kränzen,
So steiget von des Weltalls
fernsten Grenzen,
Aus allen Reichen vielfach
abgestuft,
Der Preisgesang, ein Halleluja
ruft
Empor, so weit der Gottheit
Strahlen glänzen.
So steigt der Opferduft zum
ew’gen Thron,
Zu des Dreiein’gen
glanzerfülltem Sitze,
Ununterbrochen ein harmon’scher
Ton
Aus tausend Tönen. Doch das
Preises Lohn
Ist selbst der Preisgesang.
Gleich einem Blitze
Durchzuckt den Sänger ew’ge
Wonne schon.
O wähne nicht, die heil’ge
Poesie
Sei Eigenthum und werk von dem
und diesen;
Vom heil’gen Geistes Gnade
unterwiesen
Erwacht das Herz zu Klang und
Harmonie.
Allgegenwärtig wecket spät und
früh
Des Herren Weisheit, ewiglich
gepriesen,
Die Edlen aller Völker, stürzt
die Riesen,
Macht Kleine groß durch heil’ge
Sympathie;
Wie Moses’ Stab den harten
Felsen, schlägt
Allgegenwärt’ger Gottheit
Strahl das Herz
Der Menschen, daß die ew’gen
Quellen sprudeln.
Religion und heil’ge Dichtkunst
trägt,
Ja Kunst und Weisheit, Alle
himmelwärts,
So nicht ihr Werk durch
Eigensucht besudeln.
Ein Jeder deiner Heiligen am
Throne
Trägt einen Kranz aus seltnen
Edelsteinen,
Ein Diadem von Tugenden: doch
keinen
Siehst leuchten du in gleicher
Siegeskrone.
Und gabst du Allen gleich dich
selbst zum Lohne,
Darf Keiner doch dem Andern
gleich erscheinen:
Denn selbst sie müssen sich zur
Krone einen,
Zum Strahlendiadem dem ew’gen
Sohne.
Der leuchtet als die ew’ge
Gnadensonne
Aus jedem anders, wie aus
tausend Spiegeln,
Aus jeglichem der sel’gen
Geister wieder.
Ein Liebesmeer, ein Ocean der
Wonne
Tränkt, nährt sie all’, und auf
der Andacht Flügeln
Nur einen Ton nachhallen
tausend Lieder.
Aus allen Lobgesängen, die zum
Thron
Des heil’gen Urlichts ewig auf
sich schwingen,
Die sich der engen Schattenwelt
entringen,
Den Kerker lichtend, dem sie
stark entflohn,
Quillt also süß zum Ewigen kein
Ton
Gesegnet ihm auf liebeduft’gen
Schwingen,
Als den im Namen Aller ihm zu
bringen
Nie müde wird der eingeborne
Sohn.
In diesem Grundton schön
harmonisch klingen
Die Hymnen erst und Chöre aller
Sphären
Auf tausend Stufen jubelnd
dargebracht.
Ihm einige dein Lob, soll dir’s
gelingen,
Den Vater wohlgefällig zu
verehren
Im Preisgesang, em froh dein
Herz erwacht.
Du, die das Weltall lenket,
stille Macht
Der Weisheit, der die
Morgensterne klingen,
Laß deine Engel mir zu Häupten
singen,
Sei meine Seele deinem Lob
erwacht.
Und was ich leis vernehm’ in
dunkler Nacht,
Laß mich’s der welt in lichten
Worten bringen,
Allmächtig sanft zu deinem
Preis zu zwingen
Der Menschen Herzen, durch
Musik entfacht.
Laß mich Erinnrungs-,
Hoffnungs-Freuden künden
Vom Paradies, Erlösung, von der
Stadt
Des ew’gen Friedens, Frommen
aufgespart,
Nach ihr in Sehnsucht Aller
Herz entzünden,
Die strahlend hoch das Herz
gefesselt hat,
Drin Gott ihr Abbild selig
offenbart.
Mir schien ein Strahl der
Gnade, licht und hehr:
Ich sah den Vater, sah in
Wiederbeugung
Das ew’ge Wort, des Geises
Liebeneigung,
Den ew’gen Ausfluß und die
Wiederkehr.
Gleich einem Adler, in dem
ew’gen Meer
Der Gottheit schwamm ich:
heil’ge Lieberzeigung
Rief mir im Herzen unermess’ne
Beugung
Und hub mich hoch hinauf zum
Strahlenheer.
Und zu erkennen, wie ich selbst
erkannt,
Wähnt’ ich schon jetzt, da ich
mich selbst dem Bilde
Des Worts im ersten Ausfluß
ähnlich fand.
Auch mich, den andern Ausfluß,
beuget bilde
Zurück der Geist zum Vater, dem
verwandt
Die Seele seufzt im nächt’gen
Zeigefilde.
O wie verstummt, wer dich
erkennt und weiß,
Wie still wird er beschämt und
kleinlaut schweigen,
Und wie du dich im reinsten
Glanz wirst zeigen,
Wird mehr und mehr er zagen
kalt und heiß!
O deinem Wort nur schwach mit
Wörtchen leis
Antwortet bang’ sein Herz, mit
süßem Beugen
Wünscht er allein ein lauschend
Ohr zu neigen
Dem Himmelswort, zu thun
darnach mit Fleiß!
Und däucht ihm fast, als sei
ihm Zung’ und Mund
Zum Schweigen nur, zum Sprechen
nicht gegeben,
Wenn deiner Stimme seine Tiefen
beben,
Als gäb’ nicht Zung’ und Mund
die Wahrheit kund,
Sei nur das Herz, im Innersten
versammelt,
der Mund, der leisen Jubellaut
dir stammelt.